Satzbildung
Das Kleinkind im Alter von 1-3 Jahren (Teil 3)
Aus dem Impuls heraus, sich in seiner Aktivität mitteilen zu wollen, richtet es von nun an seine Äußerungen direkt an den Anderen um seine Absichten, Wünsche und Empfindungen mitzuteilen. Kinder gebrauchen die Sprache mit Lust, locker und ungeniert. Sie malen mit Lauten und erfinden neue Wörter. Das Kind lernt , dass es mit seinen sprachlichen Äußerungen was bewirken kann. Es entdeckt, das seine Wörter von Anderen verstanden werden und dass es selbst die Anderen verstehen kann. Dabei erhält es bestimmte Reaktionen und Antworten. Diese kann es jetzt auch mit Nein - Sagen zurückweisen.
In der Ich-Entwicklung des Kleinkindes wird die andere Person als „Du“ wichtig. Im Erkennen zwischen sich und der anderen Person, wird es auch Grenzen setzen und auch selbst Grenzen erfahren. Wenn dem Kind etwas nicht gefällt, teilt es seine Ablehnung mit durch Kopfschütteln, ein Nein - Wort oder deutliche Gesten. Genauso wie es signalisiert: so war es schön; noch mal; weiter so!
Ca. im Alter von zwei Jahren hat das Kind nicht nur eine Vorstellung von sich selbst und der es umgebenden Personen entwickelt, sondern auch eine räumlich orientierte Wahrnehmung von der Welt der Dinge und der im Raum agierenden Personen. Es erlebt sich selbst als selbstbestimmte Person mit eigenen Zielen. So sagt es auch jetzt den eigenen Namen. Die Stufen zum Zwei – und Mehrwortsatz werden von den Kindern in sehr kurzer Zeit erworben. Sie setzen damit Dinge, Lebewesen und Tätigkeiten in Beziehung zueinander.
Gleichzeitig erfahren sie, dass ihre Handlungen ein Resultat haben. Beim Malen entsteht ein Strich, beim Umleeren sehen sie, dass die eben noch leere Tasse jetzt eine volle ist. Die Kinder beginnen sich für das Resultat ihres Tuns zu interessieren. Sie wollen jetzt ihre Tätigkeiten selbst bestimmen, indem sie eigene Spielideen aufbauen.
Aufeinandergestapelte Klötze werden zu einem Turm, Spuren im Sand sind Straßen für die Autos oder die Puppe hat Hunger und muss mit ihrer Lieblingsspeise gefüttert werden.
Mit der Konzentration auf das Handlungsresultat ändert sich auch der Umgang mit Bilderbüchern. Das Kind hat mit ca. eineinhalb Jahren gesehen, das Bücher und Zeitungen aus vielen zusammengehefteten Seiten bestehen, welche durchgeblättert und angeschaut werden. Sein Verständnis von einem Bilderbuch bestand in dieser Zeit aus der Tätigkeit des Blätterns.
Jetzt im Alter von zwei Jahren steht nicht mehr die Handlung des Blätterns im Vordergrund, sondern das Bild selbst. Das Kind zeigt auf Einzelheiten und verweilt, um zu betrachten. Das Betrachten von Bilderbüchern unterstützt die Begriffsbildung.
In Zwei- und Mehrwortäußerungen kombiniert das Kleinkind eine Anzahl von Wörtern, die häufig gebraucht werden. Es spricht über das was es in Situationen erlebt, was es selbst bewegt und zeigt was es von uns will. Seine Aktivität ist darauf ausgerichtet Situation und Sprache möglichst genau aufeinander abzustimmen. Dabei ist es dem Kind ernst und wichtig, dass es von uns eine Teilhabe an dem, was es denkt und fühlt erfährt, denn es hat Freude daran, in dieser neuen Art die Welt zu erfassen, sein Tun Anderen mitzuteilen.
Erstaunlicherweise gebraucht das Kind auch schon Redewendungen, die es intuitiv als eine Bedeutungseinheit übernimmt und als solche meint, quasi wie eine Formel wie z. B. „wat it dat denn?“, „komm jezt“. Dabei sind dem Kind noch keine komplizierten Sprachregeln und Mehrdeutigkeiten bewusst. Erkennbar ist die grundlegende Fähigkeit des Kindes Muster zu bilden, die für den Sprachaufbau äußerst wichtig sind.
Bereits in der Einwortphase erkennt das Kleinkind, dass mit Sprache Personen, Dinge und Handlungen aus seiner Umgebung gemeint sind. Es erkennt, dass Objekte und Lebewesen unabhängig von der eigenen Wahrnehmung und Tätigkeit existieren. D. h. Dinge existieren, auch wenn sie nicht mehr zu sehen sind. Diese Erkenntnis erweitert sein Wissen und seine Gedächtnisfähigkeiten.
Im angemessenen Gespräch mit uns kann es mit der Fülle von Eindrücken immer mehr Neues assoziieren und sein Wissen vermehren. Die geistige Leistung der Kleinkinder besteht darin, dass sie die Symbolfunktion der Sprache erworben haben. Sie verstehen, dass Wörter nicht zum Anfassen sind. Sie lernen ihr eigenes Erleben und Tun aber auch das der Anderen im System der Sprache auszudrücken. Die neuerworbene Fertigkeit ihres begrifflichen Denkens nehmen Kinder offen an und probieren vielfältig aus. Wir merken dies daran, dass sich Kinder Schritt für Schritt diese neue Sprach - Welt erschließen.
In seinem Denken erkennt es aus dem sprachlichen Angebot Markierungen, bildet Muster, variiert, kombiniert neu und abstrahiert weiter. Es entstehen Wortbilder und Satzformen, die zwar unserer Sprachnorm nicht immer entsprechen, dennoch vom Kind aus betrachtet, in produktiver Weise zeigen, wie es experimentiert, ändert und sein Wissen verarbeitet.
Kinder haben Wörter und sie kommunizieren, bevor sie zur Grammatik kommen. Bei den Zweiwortäußerungen, manchmal auch Telegrammstil genannt, muss das Gehörte von den Eltern noch zu Sätzen ausgebaut werden. Eltern müssen genau hinhören, um alles zu verstehen. Zweiwortäußerungen können alles mögliche bedeuten.
Dani Tasse - Baby weint - Suppe heiß - auch tinken - da alle - wagen wetwiebt (ich habe den Wagen weggeschoben).
Ein Kind kann auf diese Weise schon vielfältig „sprachlich handeln“. Es kann hinweisen, antworten, benennen, auffordern, ablehnen, verneinen, nach etwas verlangen. Seine Sprechmelodie hilft ihm dabei zu kennzeichnen, was es wirklich meint. Sein Einstieg in die grammatischen Regeln, d. h. wie sich Wörter zu Sätzen fügen, steht im Zusammenhang mit dem, wie es seine Welt und sich selbst versteht.
Dabei kann man feststellen, dass kleine Kinder während einer Unterhaltung so etwas wie die verkürzte Fassung eines Satzes von sich geben. Die Erwachsenen erweitern die Äußerungen von Kindern und fügen das Ausgelassene zu. Etwa so: “das auch funden”, “Ja, das haben wir im Wald gefunden.”
Solche Dialoge mit Erwachsenen, in denen die kindlichen Äußerungen durch den Erwachsenen erweitert werden, sind eine wichtige Bedingung für den Erwerb der vollständigen Sätze und der Grammatik. So wird es dem Kind möglich, einfache Sätze richtig zu bilden.